[14.11.2005]

Malerei und Skizzen

Dresden - Ahrenshoop - Dresden

Ausstellung zum 90. Geburtstag von Gerhard Stengel vom 30.11.05 bis 09.01.2006

„...Gerhard Stengel liebte das Leben mit übersprühender Leidenschaft. Er liebte die Menschen, das Licht und die Farben. Er war beseelt von einem unerschütterlichen Glauben an das Gute, trotz allem, und das aus tiefstem Herzen. Er glaubte an die bereichernde Kraft der Kunst und an ausgleichende Harmonie in der Welt....“

Karin Weber, 21.12.2001



Der Maler Gerhard Stengel in Dresden und Ahrenshoop

Als Gerhard Stengel, nach seiner Studienzeit in Leipzig und Wien, nach Dresden kam, konnte er sich, unberührt von der Formalismusdiskussion, in die von Gussmann und Feldbauer, Sterl und Kokoschka in den ersten Dezennien geschaffene Hochschultradition einer expressiven realistischen Malerei einbringen. Neben seiner zunächst farblich zurückhaltenden Ölmalerei fand er im Medium der uralten Wasserfarbenmalerei ein eigenes und die Dresdner Malerei bereicherndes Ausdrucksmittel, das ihm eine eindringliche, schwärmerische und einfühlsame Naturdarstellung als Ausdruck seines Diesseitsbezugs im Porträt, in der Landschaft und im Stillleben ermöglichte.

Schon in den fünfziger Jahren bevorzugte er ob seines lebhaften Temperaments und seines vom visuellen Naturerlebnis geprägten Realitätssinnes die al prima Malerei wegen ihrer unkonventionellen Direktheit und Unmittelbarkeit. Das Spontane bestimmte seine Handschrift und das Zupackende überlagerte den langwierigen Arbeitsprozess mit lasierenden Farben. Damit begann der Siegeszug des Aquarells.

Bevor Gerhard Stengel jedoch seinem Dresdner Domizil ein ständiges Refugium an der See zur Seite stellen konnte, stand seine Staffelei an vielen Orten, an die ihn der Zufall führte. Schon 1946 malte er am Alten Strom in Warnemünde, da waren seine Farben noch stumpf und glasig, und mehr zeichnend als malend suchte er die Fischkutter am Kai als Charakteristika des Nordens einzufangen.

Natürlich war Gerhard Stengel bewusst, sich an beiden Orten mit festgelegten traditionellen Motiven, der Panoramasicht in Dresden und den Strandbildern, den Steilufern und Windflüchtern der Ostsee, auseinandersetzen zu müssen. Weder die realen Gegebenheiten noch die kunsthistorisch relevanten Bildvorstellungen ließen sich umgehen, doch suchte er von Anfang an seine subjektive Sicht der Wirklichkeit, seine Empfindungen und Gefühle niederzuschreiben, um die Brühlsche Terrasse und ihre sie umgebende Architektur und die Ostsee- und Boddenlandschaften mit ihrer eigenartigen Lichtatmosphäre selbständig erfassen zu können.

Schließlich zog ihn die alte Künstlerkolonie Ahrenshoop an, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zu einem sommerlichen Treffpunkt von Künstlern und Literaten geworden war. Zunächst faszinierte ihn die einladende Weite des Strandes, später dann die dunklen Wasser des Saaler Boddens, von Anfang aber begeisterten ihn die morgendlich über dem Bodden und abendlich über der Ostsee zu beobachtenden Farbspiele, die ihn erregten und zum Malen herausforderten. Sie wurden, wie einst bei Emil Nolde, zum Credo seiner Landschaften.

Der weiße Strand und die Weite der See öffneten Gerhard Stengel, dem Binnenlän-der, der an große Architektur gewöhnt war, die Augen für die Größe der Natur und auf das in ihr liegende Gesetz des Einfachen und Schlichten, das er in den Fischerkaten, in den Weiden an den Boddenwiesen, in Wustrows Seglerhafen mit den sonoren Farbklängen der Zeesboote und den dunklen Schilfwänden fand. Hier erarbeitete er sich, verwöhnt von der herrlichen Silhouette Dresdens, von den nach dem Krieg wiedererstandenen Schätzen der Barockarchitektur, der Brühlschen Terrasse und den alten Elbbrücken, ein neues Verständnis für das Landschaftsfach.

Nachdem er sich in Ahrenshoop ein ständiges Sommeratelier einrichten konnte, offenbarte sich ihm das farbig differenzierte Mosaik der Boddenwiesen mit ihren begrenzenden Weiden, sensibilisierte ihn diese an sich karge Landschaft für den ästhetischen Wert des Naheliegenden. Oberloschwitz und Ahrenshoop rückten hier eng zusammen. Nur gab ihm der Norden etwas Entscheidendes, das Licht nämlich, das an der Küste sehr oft subjektiv als Frische der Luft wahrgenommen wird.

Stengels Bildern ist das letztlich auch nicht wichtig, hier tritt die malerische Schönheit ins Kalkül des Betrachters und gerade sie ist es, die seinen Bildern ihre künstlerische Wertigkeit gibt.

Dr. Horst Zimmermann, August 2005
(Auszug aus Text zum Ausstellungskatalog Gerhard Stengel)



Über den Augenblick hinaus,
Aus den Skizzenbüchern von Gerhard Stengel

Skizzenbücher sind Sammlungen von Beobachtungen, Sinneseindrücken oder Einfälle bildnerischer Ideen in schneller, selten vollendeter Ausführung. Das Unvollendete, Offene der Skizze gehört zu deren wesentlichen Eigenschaften. Spätestens seit Beginn des 20. Jh. wird gerade dieser Wesenszug der Skizze zunehmend geschätzt. Gerade das Unvollendete, das Unfertige, ist es, was den Betrachter fasziniert. Die Abfolge der Blätter in den Skizzenbüchern weist eine breite Spannweite von Improvisation, von flüchtigen bildhaften Notizen bis zu ausführlichen Studien der vertrauten wie einer fremden Welt auf. Fragmentarisches oder Aphoristisches erweist sich dabei auch als Reflexion des Augenblicks.

Bleistift, Kugelschreiber oder Filzstift sind die zeichnerischen Mittel, mitunter ergänzt mit eingeschriebenen Farbnotizen für eine spätere Umsetzung in eine autono-me Arbeit im Atelier. Nicht selten finden sich farbige Kreiden oder lavierte oder aquarellierte Blätter. Für Josef Hegenbarth ist die stenogrammartige Verkürzung der Bildideen charakteristisch, die für den Außenstehenden kaum entschlüsselbar sind. Aus Ernst Hassebrauks Skizzenbüchern spricht eine schwungvolle, bewegte lineare Sprache, die barocke Bewegtheit und Dynamik erkennen lässt. Für Gerhard Stengel kommen seit Mitte der 1950er Jahre die in Wien empfangenen Anregungen der Lehrer der Wiener Akademie zum Tragen.

Gerhard Stengel hat die Kultur des Skizzenbuchs in besonderer Weise gepflegt. Es wird zum  Beleg für die rege Reisetätigkeit in europäische und asiatische Länder, aber auch nach dem amerikanischen Kontinent. Insofern war Gerhard Stengel ein schöpferischer Unruhegeist, der die Impulse fremder Kulturen benötigte, um dann im hei-mischen Elbtal, oder ab 1966 in Ahrenshoop, in immer neuen Anläufen die Landschaft zu beobachten.

Die Bilder des Elbtals im Dresdner Raum, der Ostseeküste bei Ahrenshoop oder der  Boddenlandschaft lassen ebenfalls eine Reduktion der zeichnerischen Form erkennen und zugleich bieten sie dem Betrachter in der verknappten Darstellungsweise sehr viel eigenen Spielraum.

Die Auswahl kann nur einen Einblick in die reiche Hinterlassenschaft der Skizzenbü-cher Gerhard Stengels geben. Ihr besonderer Reiz liegt in der Unmittelbarkeit und Spontanität des Erfassens. Das in den Skizzenbüchern gesammelte Material bildete die Basis für das reiche Werk großformatiger Aquarelle, in denen sich die schnellen Notizen der Beobachtung vollenden. Der besondere Reiz der Skizzen bleibt jedoch ihre Unmittelbarkeit und Unverfälschtheit des ersten Eindrucks in einer ungemein reichen linearen Ausdrucksweise.

Dr. Hans Ulrich Lehmann
(Auszug aus Text zum Ausstellungskatalog Gerhard Stengel)

Gerhard Stengel

Biografie

geboren am 13. Januar 1915
1929-33 Lehre als Dekorationsmaler in Leipzig
1933-36 Werkmeisterschule für Maler in Leipzig- Technische Lehranstalt
1936-40 Arbeitsdienst, Wehr- und Kriegsdienst, 1940 kriegsbeschädigt und Entlassung
1940-42 Studium an der Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe Leipzig in der Meisterklasse von Prof. Drescher
1942-45 Fortsetzung des Studiums an der Akademie für Bildende Künste Wien als Meisterschüler bei Prof. C. Fahringer und Prof. Böckl Stipendium der Stadt Wien
1948 Offizieller Abschluss des Studiums mit dem Diplom für Malerei der Akademie für Bildende Künste Wien
1947-51 Fachlehrer für Kunstgeschichte und Zeichnen, Leibnitzschule Leipzig, Gründung einer Musischen Klasse
1952-53 Aspirantur an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
1953 Dozent an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
1965 Teilnahme am Internationalen Kunstwettbewerb „Linz 65“
1967 Aufbau der Werkstätten für Wandmalerei, Technologie, Gestaltungs- und Farblehre für Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
1969 Ernennung zum Professor
1974 Kunstpreis der Stadt Dresden
1980 Emeritierung
 
Freischaffend bis zum Tode am 16.12.2001 in Dresden


Arbeiten befinden sich in:

Staatliche Kunstsammlung Dresden, Kupferstich-Kabinett Dresden,  Städtische Galerie Dresden (Landtag), Historisches Museum Wien, Stadtmuseum Weimar, Staatliches Museum Schwerin, Museum für Geschichte Berlin, Nationalgalerie Berlin, Städtische Sammlungen Salzburg, Städtische Sammlung Chemnitz, Kunstsammlung Dr. Drexel Nürnberg, Nürnberger Nachrichten, Universa-Haus Nürnberg, Galerie Junge Kunst Frankfurt/Oder.
Arbeiten befinden sich auch in zahlreichen privaten Sammlungen in Großbritannien, Schweden, Österreich, Deutschland, Ägypten, Mexiko.

Wir danken für die freundliche Unterstützung der Ausstellung und der Herstellung des Kataloges

dem Amt für Kultur und Denkmalschutz Dresden,
der Gemeinde Ostseebad Ahrenshoop,
dem Pressehaus Nürnberg,
der voestalpine Kulturgemeinschaft Linz in Österreich,
der BHW Gebietsdirektion Dresden,
Familie Rauh Dresden,
R&V-Versicherung Gebietsdirektion Dresden,
Familie Höckner aus Lund in Schweden,
der Schule des Sehens und Gestaltens e.V. Dresden
und der Gerolsteiner Brunnen GmbH.


Die Ausstellung ist vom 30.11.2005 bis 09.01.2006 von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 9.00 bis 18.00 Uhr und Freitag von 9.00 bis 14.00 Uhr zu sehen.

Die Ausstellung ist vom 07.05.2006 bis 09. 07.2006 ebenfalls in der Strandhalle Ahrenshoop zu sehen.
Zur Ausstellungseröffnung besteht die Möglichkeit, eine Vorzugsgraphik des Künstlers (mit Nachlassstempel) in einer limitierten Auflage zum Preis von 50,00 € pro Blatt zu erwerben.
Zur Ausstellungseröffnung erscheint ein Katalog.